Vorhofflimmern und Vorhofflattern
Vorhofflimmern und Vorhofflattern sind die häufigsten Rhythmusstörungen im Erwachsenalter. Insbesondere Vorhofflimmern ist eine Volkskrankheit. 1 Prozent der über 60-Jährigen leidet an Vorhofflimmern. Bei den über 80-Jährigen sind es sogar über 10 Prozent. Dementsprechend häufig begegnet uns Vorhofflimmern und Vorhofflattern auch im Rettungsdienst. Doch wie erkennt man Vorhofflimmern oder Vorhofflattern und was kann man dagegen tun und was sollte man besser nicht tun?
Normalerweise läuft die Erregungswelle vom Sinuskonten ausgehend über beide Vorhöfe bis zum AV-Knoten und wird von diesem nach einer kurzen Verzögerung regelmäßig auf das Reizleitungssystem des Kammermyokards weitergeleitet. Dabei zeigt sich im EKG während der Vorhoferregung eine abgrenzbare P-Welle. Beim Vorhofflimmern hingegen kommt es auf Vorhofebene zu sogenannten reentry-Phänomenen also kreisenden Erregungen. Dadurch kann sich die Vorhofmuskulatur nicht mehr regelhaft kontrahieren, sondern flimmert in Frequenzen, die über 300/min betragen. Diese sind uneffektiv und der Beitrag des Vorhofs zur Ventrikelfüllung (5-30%) nimmt teilweise deutlich ab.
Glücklicherweise werden nicht alle Vorhofferregungen auf das Reizleitungssystem der Kammern übergeleitet. Der AV-Knoten funktioniert hier als Filter der nur einzelne Vorhoferregungen auf Kammerebene zum HIS-Bündel durchlässt. Dies erfolgt in unregelmäßigen Abständen, so dass es zum typischen Bild der Absoluten Arhythmie kommt. Die Kammerfrequenz, je nach Leitungseigenschaft des AV-Knotens meist Tachykard, kann jedoch auch normofrequent und Bradykard sein. Man spricht dementsprechend von eine Tacharrhythmia absoluta oder Bradyarrhythmia absoluta. Im EKG sieht man dann vollkommen unregelmäßige Abstände der QRS-Komplexe, die keinerlei Ordnung folgen. Das eigentliche Flimmern der Vorhöfe ist im EKG meist nicht zu sehen, bzw. wenn überhaupt nur in den direkt über den Vorhöfen abgeleiteten Ableitungen V1 und V2.
Die EKG-Kriterien für Vorhofflimmern sind also:
Vorhofflimmern im EKG besonders gut zu sehen in den Ableitungen V1 und V2
Ursächlich liegt Vorhofflimmern häufig eine Erkrankung des Herzens zugrunde. So kann Vorhofflimmern im Rahmen einer KHK, einer hypertensive Herzkrankheit oder auch nach einem akuten Myokardinfarkt auftreten.
Aber auch eine Hyperthyreose oder Genussmittel wie Alkohol (man spricht dann vom Holiday Heart Syndrom) können ursächlich für ein Vorhofflimmern sein.
Beim sog. idiopathisches Vorhofflimmern findet sich keine Ursache für das Vorhofflimmern.
Weiter unterscheidet man permanentes Vorhofflimmern von intermittierendem Vorhofflimmern.
Intermittierendes Vorhofflimmern kann also beispielsweise durch eine Extrasystole ausgelöst werden, für eine gewisse Zeit andauern und dann spontan wieder sistieren.
Nicht immer wird Vorhofflimmern vom Patienten überhaupt bemerkt. In den meisten Fällen treten jedoch Symptome auf, die von als unangenehm empfundenes „Herzrasen“ (Palpitationen), über Leistungsknick und Belastungsdsypnoe bis hin zum Lungenödem und kardiogenem Schock reichen.
Besonders gefährdet sind Patienten, die schon vorbestehend eine schlechte Herzfunktion aufweisen und wenn das Vorhofflimmern tachykard übergeleitet wird, da sich bei schnellen Frequenzen die Ventrikel ggf. nicht ausreichend mit Blut füllen können und sich die Auswurfleistung des Herzens reduziert. Es kann dann ggf. auch zur Minderperfusion der Koronarien kommen und zu Symptomen einer Angina pectoris.
Wird Vorhofflimmern hingegen bradykard übergeleitet sind eher Symptome wie Schwindel und Synkopen zu erwarten.
Komplikation des Vorhofflimmerns ist die Entstehung von Thromben auf Vorhofebene. Insbesondere in den sog. Vorhofohren können sich bei anhaltendem Vorhofflimmern Thromben bilden, die dann klassischerweise zu Schlaganfällen aber auch zu mesenterialen Ischämien führen können.
Die Therapie von Vorhofflimmern im Rahmen der präklinischen Versorgung hängt von einigen Kriterien ab. Die meisten Patienten mit Vorhofflimmern sind nicht akut vital bedroht, so dass der Transport ohne besondere Maßnahmen in eine geeignete Zielklinik erfolgen kann. Des weiteren ist vor allem entscheidend, ob der Patient durch die Arrhythmie instabil ist oder nicht (siehe auch ERC Algorythmus Tachykardie; ERC Algorythmus Bradykardie).
Bei stabilen Patienten mit tachykarder Überleitung kann ein medikamentöser Therapieversuch zur Frequenzkontrolle versucht werden (z.B. Metoprolol 2,5 mg – 5 mg i.v.)
Unter Berücksichtigung eines ausreichenden Blutdruckes kann dies ggf. bis zum Eintreten der gewünschten Wirkung in 5-10minütigen Abständen wiederholt werden. Dabei sollte eine Kammerfrequenz von 80-100/min angestrebt werden.
Bei instabilen Patienten mit tachykarder Überleitung ist die elektrische synchronisierte Kardioversion erforderlich (3 Versuche mit 120-150 Joule biphasisch). Daraufhin soll laut ERC-Leitlinien die Gabe von 300 mg Amiodaron über 10-20 min. erfolgen. Gefolgt wiederum vom erneuten Versuch der synchronisierter Kardioversion. Dann 900 mg Amiodaron über 24 h.
Die elektrische Kardioversion geht für Patienten mit Vorhofflimmern, bei bestehenden Vorhofthromben, mit einem erheblichen Risiko für eine Schlaganfall einher. Von Vorhofthromben muss ausgegangen werden, wenn das Vorhofflimmern bereits länger als 48 Stunden anhält und der Patient nicht antikoaguliert ist. Da in der Notfallsituation häufig schwerlich abschätzbar ist wie lange ein Vorhofflimmern bereits besteht, darf eine elektrische Kardioversion nur erfolgen wenn der Patient instabil und vital bedroht ist. Bei stabilen Patienten erfolgt die Kardioversion dann innerklinisch nach Auschluß von Thromben in der Transösophagealen Echokardiographie (TEE) oder nach ausreichend langer Antikoagulation.
Bei Patienten mit bradykarder Überleitung kann medikamentös mit Atropin therapiert werden (0,5 mg i.v. bis maximal 3 mg). Alternativ kann auch Adrenalin (Epinephrin) verabreicht werden (2-10µg/min i.v.). Ggf. kann auch ein transkutanes Pacing notwendig werden.
Beim Vorhofflattern findet man eine größere kreisende Erregung im rechten Vorhof. Im EKG zeigen sich Flatterwellen die ein „Sägezahnmuster aufweisen“. Die Frequenz der Flatterwellen beträgt typischerweise ca. 300/min. Am besten sieht man die Flatterwellen in den Ableitungen II, III, aVF. Typischerweise sind zwischen den einzelnen Flatterwellen keine isoelektrischen Linien zu erkennen.
Wird jede Flatterwelle auf die Kammern übergeleitet spricht man von Vorhofflattern mit einer 1:1 Überleitung. Hat das Vorhofflattern eine Frequenz von 300/min, so ist dann auch die ventrikuläre Frequenz bei 300/min, was eine äußerst kritische Situation darstellen würde.
Glücklicherweise dient der AV-Knoten auch hier als Barriere, der die Vorhofaktion verzögert und dadurch nicht jede Vorhofaktion auf die Kammern überleitet. Je nachdem wie der AV-Knoten die Vorhofaktion überleitet spricht man von Vorhofflattern mit 2:1 (auf jede 2. Flatterwelle folgt ein QRS-Komplex) oder 3:1 (auf jede 3. Flatterwelle folgt ein QRS-Komplex) Überleitung usw. Ist der Überleitungsrhythmus konstant so schlagen auch die Ventrikel regelmäßig. Wechselt der Überleitungsrhythmus permanent folgen auch die QRS-Komplexe unregelmäßig. Zur Unterscheidung zum Vorhofflimmern aber nicht völlig unregelmäßig, sondern immer in einem Überleitungsmuster (z.B. 2:1, 3:1) auch wenn dieses wechseln mag.
Die Diagnose eines Vorhofflatterns mit einer regelmäßigen 2:1 Überleitung kann sehr schwierig sein, vorallem dann wenn jede 2. Flatterwelle von einem QRS-Komplex überdeckt ist. Vorhofflattern ist dann nur schwer von anderen regelmäßigen supraventrikulären Tachykardie abgrenzbar. Hier kann durch eine Carotis-Sinus-Massage oder Adenosin-Gabe über eine Vagusstimulation zur AV-Blockierung, versucht werden ein Sägezahnmuster zu demaskieren.
Sehr häufig tritt Vorhofflattern in einer Frequenz von 300/min auf und wird 2:1 übergeleitet. Daher sollte man bei jeder Schmalkomplextachykardie mit einer Frequenz von 150/min an Vorhofflattern denken.
Vorhofflattern, besonders gut zu sehen in den Ableitungen II, III, aVF mit typischem „sägezahnartigem“ Muster
Vorhofflattern liegt meist eine organische Herzerkrankung zu Grunde. Es kann Folge einer KHK oder Entzündung am Herzen sein. In sehr seltenen Fällen kann auch Vorhofflattern idiopathisch auftreten.
Analog zum Vorhofflimmern kann auch Vorhofflattern permanent oder anfallsartig (intermittierend) auftreten. Weiter unterscheidet man Vorhofflattern vom gewöhnlichen Typ und vom ungewöhnlichen Typ. Beim gewöhnlichen Typ treten negative „sägezahnartige“ Flatterwellen typischerweise in den Ableitungen II, III, aVF auf. Die Frequenz dieser Flatterwellen beträgt ca. 250-300/min. Beim ungewöhnlichen Typ sieht man positive „sägezahnartige“ Flatterwellen in den Ableitungen II, III, aVF. Deren Frequenz liegt meist schneller, bei ca. 250-450/min.
Die Symptome sind ähnlich wie beim Vorhofflimmern. Hämodynamischen Auswirkungen sind beim Vorhofflattern allerdings seltener als bem Vorhofflimmern.
Analog zum Vorhofflimmern kann z.B. mit Beta-Blocker (z.B. Metoprolol 2,5 mg – 5 mg i.v.) versucht werden die Frequenz zu senken, wenn notwendig. Häufig ist beim Vorhofflattern keine spezielle Therapie notwendig, sondern lediglich der Transport in eine geeignete Zielklinik Maßnahme der Wahl.
Beim Bild einer regelmäßigen Schmalkomplextachykardie, die nicht eindeutig als Vorhofflattern zu identifizieren ist (insbesondere wenn diese in einer Frequenz von ca. 150/min auftritt s.o.), kann durch ein Vagusmanöver oder Adenosin-Gabe (6-12 mg i.v. als Bolus) sägezahnartige Flatterwellen also Vorhofflattern demaskiert werden.
Handelt es sich dann nicht um Vorhofflattern sonderm um eine paroxsymale supraventrikuläre Tachykardie, wird diese durch die AV-Blockade ggf. therapiert.
Durch die Adenosingabe können „sägezahnartige“ Flatterwellen demaskiert und die Diagnose Vorhofflattern gestellt werden.
Ein sehr informatives und unterhaltsames Video zum Thema gibt es bei Nerdfallmedizin: Vorhofflimmen – in 10 Minuten!
FOKUS-EKG: EKG-Wissen für die Praxis https://www.fokus-ekg.de/
LIFE IN THE FASTLANE https://lifeinthefastlane.com/ecg-library/
EKG – Online http://www.grundkurs-ekg.de/
Ralf Schnelle. EKG in der Notfallmedizin. Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbh, Edewecht 2017
Hans-Peter Schuster, Hans-Joachim Trappe. EKG-Kurs für Isabel. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2017
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2 Comments
Großartiger Beitrag. Ich stimme aber in ein paar Details nicht überein: in der ersten Abbildung steht „Vorhofflimmern mit 2:1-Überleitung“ – nee, das flimmern ist keine rhythmische Aktivität der Vorhöfe, nur Flattern kann regelmäßig übergeleitet werden. Wenns doch regelmäßig wär, wärs kein Vorhofflimmern.
im Kapitel über Vorhofflattern steht „Daher sollte man bei jeder Schmalkomplextachykardie mit einer Frequenz von 150/min an Vorhofflimmern denken.“ – da haben Sie wohl -Flimmern mit -Flattern verwechselt.
und die mir bekannt übliche Übersetzung von „Common atrial Flutter“ ist „typisches“ und nicht „gewöhnliches“ Vorhofflattern; und bei Formen würde ich den letzten Satz umstellen in „Deren Frequenz liegt meist schneller, bei ca. 250-450/min.“
Sorry, aber nach einem Nachmittag Arztbriefe korrigieren konnte ich mich nicht bremsen….
Hallo DocMartin,
vielen Dank für den wertvollen Beitrag. Da haben sich wohl einige Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen. Habe es entsprechend korrigiert.
Ja nach so einem Nachmittag Arztbriefe korrigieren läuft man zur Hochform auf….
Vielen Dank Dir jedenfalls für dein Feedback, was ich wirklich sehr schätze. Bis bald, Julian