Nichtinvasive Beatmung
Die innerklinische Anwendung der Nichtinvasiven Ventilation (NIV) bei der akuten respiratorischen Insuffizienz (ARI) ist gut etabliert. Bei kardiogenem Lungenödem oder akuter Exazerbation der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) reduziert die Nichtinvasive Ventilation (NIV) die Morbidität und Mortalität im Vergleich zur Standardtherapie.
Für die Anwendung der NIV im Notarzteinsatz und Rettungsdienst gibt es bislang wenig Evidenz.
Vieles spricht jedoch für den Einsatz der NIV in einem präklinischen Setting (pNIV). So ist zu erwarten, dass die frühe Anwendung der präklinischen Nichtinvasiven Ventilation (pNIV) das Patientenoutcome verbessert und endotracheale Intubationen vermieden werden können. Auch die Deutsche Geselschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.v. unterstreicht in ihrer Empfehlung aus dem Jahre 2012 den Stellenwert der Nichtinvasiven Ventilation in der präklinischen Notfallmedizin.
Für die Anwendung der NIV im Notarzteinsatz und Rettungsdienst gibt es bislang wenig Evidenz.
Grundsätzlich lassen sich zwei Ursachen für eine akute respiratorische Insuffizienz unterscheiden. Zum einen die Gasaustauschstörung (Störung der Oxygenierung)) und zum anderen die Ventilationsstörung. Bei der Gasaustauschstörung kommt es primär zu einer Hypoxämie also einem Sauerstoffmangel im arteriellen Blut. Erst in einem fortgeschrittenen Stadium kann es zusätzlich zu einer Hyperkapnie also einem erhöhten Kohlenstoffdioxidgehalt (CO2) im Blut kommen. Erkrankungen bei denen es primär zu einer Gasaustauschstörung und in Folge zu einer Hypoxie kommt sind klassischerweise das kardiogene Lungenödem, die Pneumonie aber auch das ARDS (acute respiratory distress syndrom).
Bei einer Ventilationsstörung kommt es in erster Linie zu einem Versagen der Atemmuskelpumpe (Atemhilfsmukulatur). Es kommt primär durch die Hypoventilation zu einer ausgeprägte Hyperkapnie bei nur wenig ausgeprägter Hypoxie. Zu einer Ventilationsstörung und ihren Folgen kommt es klassischerweise bei der Exazerbation der chronisch obstruktiven Bronchitis (COPD). Hier kommt es zu einer Zunahme der Obstruktion in den mittleren und kleinen Atemwegen was vor allem die Ausatmung erschwert. In Folge dessen steigt der intrinsische PEEP (positiv end exspiratory pressure). Dadurch überbläht sich die Lunge und durch die Änderung der Zwerchfellposition verschlechtert sich die Effektivität der Atemhilfsmukulatur.
Störungen des Gasaustausches mit primärer Hypoxie wie z.B. beim kardiogenen Lungenödem können auch in der präklinik meist gut erkannt werden. Die Detektion einer Hyperkapnie wie z.B. bei der exazerbierten COPD kann hingegen schwierig sein. Nur vereinzelt stehen in der Präklinik Verfahren wie die nichtinvasive entidale CO2-Messung oder gar eine Blutgasanalyse zu Verfügung.
Am meisten Daten zur Anwendung der präklinischen Nichtinvasiven Beatmung (pNIV) bei der hypoxischen akuten respiratorischen Insuffizienz gibt es zum Kardiogenen Lungenödem. Es kommt zu einer pulmonalen Stauung aufgrund verschiedener Formen der Linksherzinsuffizienz.
Grundsätzlich lassen sich zwei Formen der Nichtinvasiven Beatmung unterscheiden, die in der Präklinik zum Einsatz kommen sollten. Es kann einerseits eine reine CPAP-Beatmung durchgeführt werden oder, der bei der CPAP Beatmung applizierte positive endexspiratorische Druck zusätzliche mit einer inspiratorischen Druckunterstützung (ASB) kombiniert werden.
Da es beim kardiogenen Lungenödem zu einer Gasaustauschstörung und in deren Folge primär zu einer Hypoxie kommt steht bei der pNIV die Applikation von positivem endexspiratorischem Druck (PEEP) im Vordergrund. Dieser kann mit reiner CPAP Beatmung verabreicht werden. Durch den erhöhten intrathorakalen Druck bei der CPAP-Beatmung soll es zu einer Reduktion des venösen Rückstroms und zur Entlastung des Herzens kommen. Untersuchungen zur CPAP beim kardiogenen Lungenödem mit einem PEEP von 10 mbar konnten eine deutliche Verbesserung der Hämodynamik, Rückgang der Intubationsrate und eine reduzierte Mortalität im Vergleich zur Behandlung mit Medikamenten und Sauerstoff nachweisen.
Sollte außer der Hypoxie auch eine Hyperkapnie als Zeichen der Atemerschöpfung vorliegen oder vermutet werden, bietet sich die Ergänzung der CPAP mit einer inspiratorischen Druckunterstützung an.
Bei der Anwendung der präklinischen Nichtinvasiven Beatmung bei hyperkapnischen Patienten z.B. im Rahmen einer Exazerbation einer COPD steht die Erschöpfung der Atempumpe im Vordergrund. Durch die NIV soll daher erreicht werden den intrinsischen PEEP („air traping“) durch externen PEEP zu antagonisieren, sowie die Atemarbeit der Atemhilfsmuskulatur durch maschinelle inspiratorische Druckunterstützung zu entlasten.
Innerklinisch wird der pH-Wert und das PaCO2 herangezogen um bei hyperkapnischen Patienten die Indikation zur Nichtinvasiven Beatmung zu stellen oder die Nichtinvasive Beatmung zu überwachen. So soll nach Handlungsempfehlungen bei einem pH-Wert zwischen 7,30-7,35 frühzeitig nichtinvasiv beatmet werden wohingegen die NIV bei einem pH-Wert >7,35 nicht indiziert ist. In der Präklinik steht der pH-Wert jedoch nicht regelhaft zur Verfügung. Hier muss Ersatzweise durch die klinische Einschätzung und Ermittlung der Atemfrequenz die Abschätzung der Schwere der respiratorischen Insuffizienz erfolgen.
Zur Erfolgsbeurteilung können in der Präklinik anstatt des pH-Werts und PaCO2, Parameter wie Dyspnoe (Abnahme,) Vigilanz (Zunehmende Verbesserung), Atemfrequenz (Abnahme), Oxygenierung (Zunahme der SpO2 > 85 %) und Herzfrequenz (Abnahme) herangezogen werden.
Parameter | Erfolgskriterien | |||
---|---|---|---|---|
Dyspnoe | Abnahme | |||
Vigilanz | zunehmende Verbeserung | |||
Oxygenierung | Zunahme SpO2 >85% | |||
Herzfrequenz | Abnahme | |||
Atemfrequenz | Abnahme |
Neben den klassischen Indikationen des kardiogenen Lungenödems und der Exazerbation der COPD gibt es weiter sowohl unter klinischen als auch pathophysiologischen Gesichtspunkten sinnvolle Indikationen für die pNIV, wenngleich die Datenlage eingeschränkt ist und generelle Empfehlungen fehlen. So kann die pNIV bei weiteren Erkrankungen mit Störung des Gasaustausches wie ambulant erworbener Pneumonie oder bei Lungenkontusionen infolge eines Traumas genauso angewendet werden wie bei weiteren Erkrankungen mit primärer Ventilationsstörung wie etwa dem akuten Asthma bronchiale Anfall. Weiter ist eine pNIV denkbar bei palliativen oder immunsupprimierten Patienten.
Auch wenn randomisierte Daten zur pNIV bei CAP fehlen spricht die ähnliche Pathophysiolgie der CAP zum kardiogenen Lungenödem sowie die klinisch oft zu beobachtende Besserung der Dyspnoe und der Oxygenierung für die pNIV bei der CAP. Insbesondere bei begleitender Hyperkapnie scheint ein Therapieversuch gerechtfertigt.
Die aktuellen S3-Leitlinien sehen eine Therapieversuch mit NIV bei Traumapatienten mit Hypoxie als gerechtfertigt an. Wobei keine generelle Empfehlung als Routine oder Firstline- Verfahren ausgesprochen wird. Bei stumpfem Thoraxtrauma soll eine frühzeitige pNIV erwogen werden.
Bei engmaschiger Erfolgskontrolle muss bei ausbleibendem Erfolg der pNIV insbesondere beim Traumapatienten die rasche Intubation und invasive Beatmung erfolgen.
Insbesondere die oft zeitkritische Erstversorgung beim Traumapatienten („golden hour of trauma“) und generelle Kontraindikationen für eine Nichtinvasive Beatmung wie Mittelgesichtsfrakturen, Schädelhirntrauma und Halswirbelsäulentrauma schließen die zeitintensive pNIV in einem Traumasetting häufig aus. In der Praxis stellt die Nichtinvasive Beatmung daher eher eine innerklinisch zu erwägende Therapieoption nach Bildgebung und Klärung des vorherrschenden Verletzungsmusters dar.
Der Status asthmaticus mit akutem respiratorischem Versagen ähnelt sich pathophysiologisch und klinisch der akut exazerbierten COPD. Es kommt primär zu einer Ventilationsstörung mit Gefahr der Atemerschöpfung. Daher ist davon auszugehen, dass die pNIV analog zum Vorgehen bei der exazerbierten COPD angewendet werden kann und Patienten mit Status asthmaticus analog zur exazerbierten COPD profitieren. Aussagekräftige Daten zur pNIV beim akuten Asthmaanfall fehlen allerdings. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der beatmungspflichtige Asthmaanfall in der Präklinik eine Rarität ist. Zudem tritt Asthma bronchiale bevorzugt im Kindesalter auf (bis zu 10 % der Kinder, im Gegensatz 4-5 % der Erwachsenen). Um also eine pNIV durchzuführen muss das Rettungsdienstpersonal auch für diese spezielle Patientengruppe ausgerüstet und geschult sein.
Bei palliativen Patienten kann NIV zur Linderung der Dyspnoe und damit zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen. Die NIV biete eine weitere Option bei Patienten bei denen ein DNR (do not reanimate), DNI (do not intubate) Status festgelegt wurde. Ob ein Therapieversuch mit der pNIV durchgeführt werden sollte, ist letztlich eine Einzelfallentscheidung des Notarztes, optimaler Weise unter Einbeziehung des Patienten und der Angehörigen.
Absolute Kontraindikationen für eine pNIV sind Apnoe, schwere Mittelgesichtsfrakturen, ein nicht entlasteter Pneumothorax, ein nicht gesicherter Atemweg bei z.B anhaltendem Erbrechen oder auch eine Bewusstseinsstörung mit einer GCS < 8.
Wird eine pNIV durchgeführt muss aufmerksam auf die Entwicklung von Komplikationen geachtet werden. So muss ein durch die NIV entstandener Pneumothorax, Magendistension oder eine Zunahme der respiratorischen Insuffzienz erkannt werden und ggf. die pNIV abgebrochen werden um entweder auf eine invasive Beatmung zu eskalieren oder auf reine Sauerstoffgabe zu deeskalieren.
Weitere absolute und relative Kontraindikationen sind in untenstehender Tabelle aufgeführt.
Absolute Kontraindikationen | Relative Kontraindikationen | |||
---|---|---|---|---|
Fehlende Spontanatmung, Schnappatmung | Hyperkapnisches Koma | |||
Verlegung der Atemwege | Massive Agitation | |||
Gastrointestinale Blutung/ Ileus | Hämodynamische Instabilität | |||
Vigilanzmindeung (GCS <8) die nicht durch eine Hyperkapnie verursacht wird | ||||
ausgeprägte Gesichtschädelfrakturen | ||||
undrainierter Pneumothorax |
Steht die Indikation nur pNIV und wurden Kontraindikationen ausgeschlossen geht es an die praktische Umsetzung, die nicht immer ganz unproblematisch ablaufen kann. Insbesondere wenn der zu behandelnde Patient durch die Atemnot maximal panisch und unter Umständen Todesängste hat, sowie nicht mit dem Verfahren der pNIV vertraut ist. Kommt dann ein in dem Verfahren ebenfalls unerfahrenes und hektisch agierendes Rettungsteam hinzu, ist die pNIV häufig zum Scheitern verurteilt.
Daher ist es zu Beginn sehr wichtig beruhigend auf den Patienten einzuwirken und sich Zeit zu nehmen, um dem zu Behandelnden das Verfahren genau zu erklären. Hilfreich erweist sich ebenfalls eine vorsichtige Sedierung des Patienten (z.B mit Morphin 2,5 mg i.v. als Bolus ggf. repetitiv). Der Patient kann zunächst die Maske selbst in die Hand nehmen um das Verfahren zu testen. Erst wenn der Patient mit dem Verfahren vertraut ist sollte dann die Maske fest und luftdicht fixiert werden.
Leidet der Patient an einer Störung der Ventilation z.B. bei der akut exazerbierten COPD liegt droht primär eine Atemerschöpfung. Hier soll die pNIV die Atemarbeit erleichtern. Solche Patienten profitieren also von einer Atemunterstützung durch einen ausreichend hoch eingestellten ASB.
Hier könnten am Respirator beispielweise folgende Einstellungen gewählt werden:
ASB 15 mbar, PEEP 5 und den FIO2 in der Notfallsituation initial bei 1.0. Der FIO2 kann dann nach O2 Sättigung angepasst werden (Ziel SPO2 > 95%).
Leidet der Patient an einer Störung des Gasaustausches also der Oxygenierung wie z.B. beim kardialen Lungenödem profitiert er vor allem von einem hohen PEEP.
Hier können beispielsweise folgende Einstellung zur Anwendung kommen:
PEEP 10 mbar, ASB 5-10 mbar, FIO2 initial 1.0, dann nach SPO2 titrieren (Ziel SPO2 >95%).
Die Vorgestellte Werte können natürlich nur eine erste Orientierung geben, in der Praxis treten häufig kombinierte Erkrankungen auf, so dass die pNIV individuell an den Patienten und das vorliegende Krankheitsbild angepasst werden muss.
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