AV-Blockierungen
Von einer AV-Blockierung spricht man bei Erregungsüberleitungsstörungen innerhalb des Reizleitungssystems zwischen der Vorhoferregung (P-Welle) und der Kammererregung (QRS-Komplex) im AV-Knoten oder dem nachgeschalteten HIS-Bündel. AV-Blockierungen lassen sich in 3 Schweregrade einteilen. Wobei die zweitgradige AV-Blockierung wiederum in eine Typ I und Typ II Unterform eingeteilt werden kann. In der Praxis kann ein Patient mit einer AV-Blockierung je nach den vorliegenden Umständen und der verbleibenden Herzleistung asymptomatisch sein bis hin zu einem kardialen Schock aufweisen oder sogar reanimationpflichtig werden.
Ursächlich für jede AV-Bockierung können degenerative Veränderungen sein. Auch Durchblutungsstörungen nach einem durchgemachten Infarkt oder bei einer akuten Ischämie kommen als Ursache in Frage. Eine Vielzahl anderer Erkrankungen am Herzen kann einen AV-Block verursachen. Des weiteren kann ein AV-Blockierung auch medikamentös (Beta-Blocker, Digtalis) verursacht sein.
Jede AV-Blockierung lässt mittels eines EKG erkennen und einteilen.
Um eine AV-Blockierung im EKG zu diagnostizieren sollte zunächst die PQ-Zeit bestimmt werden. Diese misst man von Beginn der P-Welle bis zum Beginn des QRS-Komplex im EKG. Die PQ-Zeit ist frequenzabhängig. Bei einer Frequenz von 60/min sollte die PQ-Zeit einen Wert von 0,2 s nicht überschreiten. Eine erstgradige AV-Blockierung lieg also bei einer PQ-Zeit von >200 msek vor.
Die Reizüberleitung ist also abnorm lang und findet verzögert statt. Jedoch wird jede Vorhoferregung auf den Ventrikel übergeleitet. Im EKG folgt jeder P-Welle ein QRS-Komplex.
Im EKG, dass mit 25mm/s geschrieben wurde entsprechen 0,2 Sekunden (200 msek) 5 mm auf dem EKG-Streifen, also der Länge eines kleinen fettgedruckten Quadrats. Bei einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s entsprechend 10 mm, also zwei Quadraten auf dem EKG-Streifen.
Die Bedeutung einer erstgradigen AV-Blockierung, die in der Präklinik detektiert wird, ist abhängig von der vorgefundenen Situation. Wird eine AV-Blockierung als Zufallsbefund im EKG diagnostiziert ohne jeglichen weiteren Hinweis auf eine kardiale Erkrankung, besteht in aller Regel keine Bedrohung für den Patienten. In eine Situation nach einer eingetretenen Synkope, nach Medikamentenintoxikation oder akutem Koronarsyndrom kann allerdings auch ein erstgradiger AV-Block ein bedrohliches Zeichen sein.
Bei einer zweitgradigen AV-Blockierung ist die Erregungsüberleitung zwischen Vorhof und Ventrikel nicht nur verzögert sondern wird teilweise unterbrochen. Es besteht zwar noch eine AV-Überleitung aber nicht jede Vorhofaktion wird auf die Kammer übergeleitet, nicht jeder P-Welle folgt im EKG ein QRS-Komplex.
Die zweitgradigen AV-Blockierungen werden in zwei Unterformen eingeteilt. Den AV-Block II° Typ I (Wenkebach) und den AV-Block II° Typ 2 (Mobitz).
Die zweitgradige AV-Blockierung vom Typ I zeichnet sich durch die sog. Wenckebach-Periodik aus. Diese beginnt mit einer kurzen Überleitungszeit der Vorhoferregung auf den Ventrikel. Im EKG erscheint eine P-Welle, die in relativ kurzer Zeit von einem QRS-Komplex beantwortet wird. Nach der nächsten P-Welle jedoch lässt die Antwort des QRS Komplexes schon länger auf sich warten. Nach einer weiteren P-Welle noch länger bis schließlich gar keine Überleitung mehr stattfindet und ein QRS Komplex ausfällt. Danach beginnt die Periodik von Neuem mit einer kurzen Überleitungszeit (PQ-Zeit). Der AV-Block II° Typ Wenckebach spielt sich meistens auf AV-Knotenebene ab und ist daher meist auch harmlos, da durch das nachgeschaltete His-Bündel ein ausreichend schneller Ersatzrhythmus gewährleitet werden kann
Bei einer zweitgradigen AV-Blockierung Typ II (Mobitz) kündigt
sich eine Blockade der Erregungsüberleitung vom Vorhof auf die Kammer nicht wie
beim Typ I (Wenckebach) an, sondern tritt plötzlich und unerwartet auf. So werden
ein oder mehrere Vorhoferregungen normal oder mit gleichbleibender Verzögerung
übergeleitet bis plötzlich eine Kammererregung ausfällt. Im EKG zeigen sich
also P-Wellen die mit normaler PQ-Zeit oder gleichmäßig verlängerter PQ-Zeit auf
die ein QRS-Komplex folgt bis schließlich eine P-Welle plötzlich nicht mehr mit
einem QRS-Komplex beantwortet wird. Liegt ein höhergradiger zweitgradiger
AV-Block Typ 2 vor kann regelmäßi nur jede zweite oder jede dritte usw. Vorhoferregung
(P-Welle) übergeleitet werden. Man sprich dann von einer 2:1 Überleitung (auf jede
2. P-Welle folgt ein QRS-Komplex), 3:1 Überleitung (auf jede 3. P-Welle folgt
ein QRS-Komplex) usw. Die Frequenz ist bei konstantem Überleitungsverhältnis
(2:1,3:1….) regelmäßig, kann aber wenn sich das Überleitungsverhältnis rasch
ändert auch unregelmäßig sein.
Diese Form der Blockierung ist meist im His-Bündel oder distal davon lokalisiert. Die Gefahr, dass sich hieraus ein AV-Block III° entwickelt ist größer als beim Typ Wenckebach und die Prognose demnach schlechter.
Befindet sich die AV-Blockierung noch im His-Bündel ergeben die übergeleiteten Potenziale schmale QRS-Komplexe. Bei noch weiter distal gelegenen Blockierungen können breite „schenkelblockartige“ QRS-Komplexe auftreten. Diese weit distal gelegenen Blockierungen mit breiten QRS-Komplexen wurden von Mobitz ursprünglich beschrieben und gehen mit der schlechtesten Prognose einher.
Bei drittgradigen AV-Blockierungen besteht eine vollständige Unterbrechung der atrioventrikulären Überleitung. Keine Vorhoferregung kann auf die Kammern übergeleitet werden. Im EKG wird entsprechend keine der P-Wellen durch einen QRS-Komplex beantwortet.
Liegt eine drittgradige AV-Blockierung vor muss sich ein neues Erregungszentrum (Ersatzzentrum) bilden um das Herz weiter Schlagen zu lassen. Im EKG sieht man die Vorhoferregung (P-Welle) und die Kammererregung (QRS-Komplex) regelmäßig aber unabhängig voneinander schlagen. Dabei ist die Frequenz der P-Wellen schneller als die der QRS-Komplexe.
Drittgradige AV-Blockierungen können sowohl proximal im AV-Knoten auftreten als auch distal im Bereich des His-Bündel, der Tawara-Schenkel und beiden Faszikeln (links anteriorer Faszikel und links posteriorer Faszikel) des linken Tawaraschenkels.
Besteht gleichzeitig ein Rechtsschenkelblock sowie ein Linksschenkelblock mit Blockierung des linksanterioren sowie des linksposterioren Faszikels, kommt es zur kompletten distalen AV-Blockierungen. Dies wird dann trifaszikulärer Block genannt.
Die selteneren proximale komplette AV-Blockierungen haben eine bessere Prognose als die häufigeren distalen trifaszikuläre AV-Blockierungen.
Bei einer proximalen AV-Blockierung kann das neue Reizleitungszentrum nah des AV-Knotens gebildet werden. Daraus resultieren Herzfrequenzen zwischen 40-60/min. Die QRS-Komplexe, die über das normale Reizleitungssystem gebildet werden, sehen relativ normal und schmal aus.
Bei distalen kompletten AV-Blockierungen liegt auch das Ersatzzentrum weit distal. Dementsprechend resultieren Frequenzen von ca. 30-40/min sowie breite „schenkelblockartige“ Kammerkomplexe. Bei distalen AV-Blockierungen lassen sich in früheren EKG’s des betroffenen Patienten Schenkelblockierungen oder faszikuläre Blockierungen feststellen.
Trifft man im Rettungsdienst auf eine höhergradige AV-Blockierung bei einem Patienten, müssen zunächst die üblichen Basismaßnahmen durchgeführt werden. Hierzu gehört insbesondere das Ableiten und die Analyse eines 12-Kanal-EKG um ggf. einen Infarkt als Auslöser für die Bradykardie festzustellen. Ein kontinuierliches Monitoring sowie das Kleben von Schrittmacherelektroden und bereithalten der in Frage kommenden Medikamente, um im Falle einer akuten Verschlechterung des Patienten vorbereitet zu sein ist essenziell. Das weitere Vorgehen wird leitliniengerecht durch den Bradykardie-Algorithmus bestimmt.
Bei instabilen AV-Blockierungen wird als Initialtherapie die Gabe von Atropin 0,5 mg i.v. empfohlen. Dies kann bis zu einer Dosis von 3 mg Atropin repetiert werden. Als alternatives Medikament wird Adrenalin vorgeschlagen. Hier sollen 2-10µg/min verbreicht werden.
Interessanterweise sollte Atropin, dass die Parasympathikuswirkung des N. vagus hemmt, bei distal des AV-Knotens lokalisierten AV-Blockierungen keine Wirkung haben, da die Fasern des N. vagus nur bis zum AV-Knoten reichen. Bei einem AV-Block II° Typ II (Mobitz) ist ein Therapieversuch mit Atropin also häufig ineffektiv. Wohingegen die Gabe von Adrenalin zur Stimulation des Sympathikus bei Innervation auch distal des AV-Knotens vielversprechender ist.
Laut Bradykardie-Algorithmus soll dann auf eine Schrittmacher-Therapie sofort eskaliert werden, wenn die Herzfrequenz auf Atropin nicht reagiert oder unwahrscheinlich ist.
FOKUS-EKG: EKG-Wissen für die Praxis https://www.fokus-ekg.de/
LIFE IN THE FASTLANE https://lifeinthefastlane.com/ecg-library/
EKG – Online http://www.grundkurs-ekg.de/
Ralf Schnelle. EKG in der Notfallmedizin. Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbh, Edewecht 2017
Hans-Peter Schuster, Hans-Joachim Trappe. EKG-Kurs für Isabel. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2017
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