Analgesie im Kindesalter
Ca. ein Drittel aller Notfälle im Kindesalter sind traumatologischen Ursprungs. Hiervon bilden Extremitätenverletzungen und Verbrennungen die Mehrzahl der Einsatzindikationen für eine Analgesie im Kindesalter. Genau wie beim Erwachsenen genießt eine zeitnahe und adäquate Analgesie, beim wie auch immer verletzten Kind, höchste Priorität.
Dabei ist die Einschätzung von Schmerzen im Allgemeinen und im Besonderen bei Kindern schwierig. Insbesondere bei Kindern < 4 Jahre kann die Einschätzung ob Schmerzen bestehen schwierig sein und ist nur unsicher durch Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Muskeltonus und Verhaltensbeobachtung abschätzbar. Bei Kindern > 4 Jahren ist der Einsatz einer visuellen Analogskala (VAS, z.B. Smiley-Skala 0-5) sinnvoll.
Visuelle Analogskala (VAS)
Ab einem Alter von > 7 Jahren ist sprachlich die Angabe von Schmerzintensität und Lokalisation möglich. Ab diesem Alter ist dann auch der Einsatz einer numerischen Analogskala (NAS) sinnvoll.
Numerische Analogskala (NAS)
Ist eine Analgesie im Kindesalter notwendig stellt sich rasch die Frage nach der Medikamentenapplikation und stellt gerade nichtpädiatrisch Notärzte regelmäßig vor große Probleme. Insbesondere das Legen eines i.v. Zuganges sowie die gewichtsadaptierte Medikamentendosierung erweist sich im Einsatz häufig als herausfordernd.
Venen sind bei Kindern häufig schwer zu punktieren, dazu kommen Abwehrbewegungen und Agitiertheit. Bei Kindern mit Verbrennungen wurde häufig bereits durch die Eltern gekühlt, wodurch das Legen eines i.v. Zugangs weitere erschwert wird.
In dieser Situation kommt der intranasalen Verabreichung von Analgetika durch die Anwendung eines MAD (mucosal atomization device) eine große Bedeutung zu. Ggf. kann später nach Analgosedation durch den MAD beim nun ruhigen, schmerzarmen Kind ein i.v. Zugang etabliert werden.
Die Medikamentenapplikation mittels MAD zeichnet sich durch eine hohe Effektivität der Medikamentenresorption aus. Es sind jedoch höhere Dosierungen notwendig als bei i.v. Applikation (s.u.). Es sollten möglichst kleine Volumina appliziert werden (maximal 1 ml pro Nasenloch). Daher sollte z.B. bei Midazolam die Ampulle mit der Konzentration 5mg/ml gewählt werden. Insbesondere für die Medikamente Ketamin (S-Ketamin), Midazolam und Fentanyl ist die Applikation mittels MAD erprobt und problemlos möglich.
Selten kann bei starken sonst nicht zu beherrschenden Schmerzen oder kreislaufinstabilem Kind die Applikation von Medikamenten über einen intraossären Zugang notwendig werden.
Nach jeder Applikation von analgosedierender Medikation sollte ein entsprechendes Monitoring erfolgen. Beim Kind sollte zumindest eine Pulsoxymetrie durchgefürt werden, besser wenn möglich zusätzlich eine EKG abgeleitet und manuell der Blutdruck gemessen werden. Aufgrund des Risikos einer Atemdepression sollte ein Beatmungsbeutel mit passender Maske sowie eine Absaugvorrichtung bereitgestellt werden.
Die Wahl des Analgetikas sollte vom persönliche Erfahrungsschatz des Notarztes sowie von der schmerzintensität abhängig gemacht werden. Bei eher leichten Schmerzen ist die Applikation eines Nichtopioids wie Metamizol, Ibuprofen oder Paracetamol in der Regel ausreichend.
Medikament | Applikationsform | Dosierung | Besonderheiten | |
---|---|---|---|---|
Paracetamol | rektal | 20 mg/kg KG rektal Säuglinge: 125 mg supp. Kleinkinder: 250 mg supp. Schulkinder (> 25 kg) 500 mg supp. | Keine | |
Metamizol | i.v. | 10-15 mg/kg KG | Zugelassen > 1 Jahr | |
Ibuprofen | oral | 10-15 mg/kg KG | Keine |
Das in der Notfallmedizin populärste zur Analgesie angewandte Medikament stellt Ketamin (bzw. S-Ketamin) dar. Ketamin hat den Vorteil auch bei höheren Dosierung nicht atemdepressiv und nicht kreislaufdepressiv zu wirken. Halluzinogene Nebenwirkungen erfordert jedoch den Einsatz von niedrigdosierten Benzodiazepinen wie z.B. Midazolam, die in Kombination verabreicht werden. Weitere Nebenwirkungen können eine Hypersalivation sein sowie sehr selten das Auftreten eines Laryngospasmus.
Ein weiterer Vorteil von Ketamin ist die problemlose intranasale Applikation (s.o.) (Off-Label-Use). Zur intranasalen Anwendung steht außerdem noch Fentanyl und Midazolam zur Verfügung.
Medikament | Dosierung | Anwendungsbeispiel |
---|---|---|
Midazolam | 0,05-0,1 mg/kg KG Ampulle: 5 ml mit 5 mg -> 1 mg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 0,5-1 mg 0,5-1 ml i.n. (0,05-0,1 ml/kg KG) |
Fentanyl | 2 µg/kg KG Ampulle: 2 ml mit 100 µg -> 50 µg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 20 µg 0,4 ml i.n. (0,04 ml/kg KG) |
S-Ketamin | 1 mg/kg Ampulle: 2 ml mit 50 mg -> 25 mg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 10 mg 0,4 ml i.n. (0,04 ml/kg KG |
Zur i.v. Applikation stehen neben Ketamin und Fentanyl, Pitritramid und Morphin zur verfügung.
Medikament | Dosierung | Anwendungsbeispiel | ||
---|---|---|---|---|
S-Ketamin | 0,5-1 mg/kg KG Ampulle: 50 mg in 2 ml -> 25 mg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 5-10 mg | ||
Fentanyl | 0,5-1 µg/kg KG Ampulle: 0,5 mg in 10 ml -> 50 µg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 5-10 µg | ||
Morphin | 0,05-0,1 mg/kg KG Ampulle: 10 mg in 1 ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 0,5-1 mg | ||
Piritramid | 0,05-0,1 mg/kg KG Ampulle: 15 mg in 2 ml -> 7,5 mg/ml | Bei 10 kg schwerem Kind: 0,5-1 mg |
Bei Nerdfallmedizin gibt es zum Thema Analgesie zwei wie immer unterhaltsame und informative Videos:
Nicolai T, Hoffmann F Kindernotfall ABC. Kompendium für Notärzte und Kindernotärzte. Springer Berlin Heidelberg New York (2018)
Keil J , Olivieri M, Hoffmann F Das 1×1 der häufigsten Kindernotfälle. Notfallmedizin up2date Thieme (2013)
Flake F, Scheinichen F. Kindernotfälle im Rettungsdienst. Springer Berlin Heidelberg New York (2016)
Bein B, Gräser J-T, Meybohm P, Scholz J Zusatzweiterbildung Notfallmedizin. 1000 kommentierte Prüfungsfragen, 3. Auflage. Thieme, Stuttgart (2016)
Dirks B Die Notfallmedizin, 2. Auflage. Springer Berlin Heidelberg New York (2013)
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